Aber der Reihe nach. Was ist passiert?
Satoshi Nakamoto's White Paper, worin er den auf einer dezentralisierten Technologie basierende Bitcoin erfand, entstand im November 2008 als direkte Reaktion auf den Beinahe-Zusammenbruch der Wall Street. Die Kryptoindustrie hat jetzt ihren ganz eigenen Popcorn bzw. "Lehman-Moment", nämlich der Kollaps der viertgrössten Kryptobörse FTX.
FTX war bis letzte Woche eine der führenden Krypto-Börsen. Gegründet vom Amerikaner Sam Bankman-Fried, auch schlicht “SBF” genannt. FTX ist auf den Bahamas ansässig und wurde zu Beginn des Jahres mit sagenhaften 32 Milliarden Dollar bewertet. Blackrock und SoftBank gehörten zu den Investoren. Auch Supermodel Gisele Bündchen und ihr Ex-Mann, der berühmte Quarterback Tom Brady, investierten und bewarben FTX als Ambassadoren. FTX hatte einen exzellenten Ruf.
SBF versuchte in den letzten Stunden der Titanic-Fahrt, mit seinem Erzrivalen Binance - gegründet von Zhao "CZ" Changpen, einem der reichsten Menschen in der Krypto-Welt - eine Fünf-vor-Zwölf-Lösung zu finden. Dies misslang.
Der grosse Krimi hatte sich zuvor auf Twitter abgespielt. Es entstand der Eindruck, dass es ihnen beiden um transparente Kommunikation ging. Die Realität sieht wohl anders aus: Der öffentliche Schlagabtausch war getrieben von zu viel Testosteron und einem fast 18-monatigen Machtrausch-Gerangel.
Die Ereignisse der letzten zwei Wochen sind für viele ein oscar-reifes Drama, für andere ein schlechter - obwohl aufwändig produzierter - Film, der alle bestehenden Krypto-Vorurteile bestätigt.
Ein Drama in drei Akten
Akt I: FTX machte eine Finanzierungsrunde im 2019, CZ stieg ein und kaufte einen 20% Anteil an FTX. Diese kaufte ihm SBF später wieder ab, weil die zwei Milliardäre es einfach nicht zusammen konnten. Abgegolten wurde CZ mit FTX Token, der hauseigene Utility Token, der im FTX-Ökosystem benutzt wird.
Akt II. Eine Gruppengesellschaft von FTX, die Alameda Research, erhielt offenbar Kredite von FTX und hat mit diesen Risikogeschäfte abgeschlossen. Dies geht auf geleakte Geschäftsbücher der Alameda Research zurück. Besichert waren diese vermutungsgemäss mit dem FTX Token. Die Ankündigung von CZ auf Twitter, all seine direkt bzw. indirekt gehaltenen FTX Bestände abstossen zu wollen, führte zu grosser Aufregung im Markt, denn soviel war klar, dies würde den Preis des FTX Tokens zum Sinken bringen.
Akt III. Die Ankündigung und der sich abzeichnende Preisverfall des FTX Tokens brachte sowohl Alameda wie auch FTX in Bedrängnis, denn Alameda Research musste die Darlehen mit weiteren Sicherheiten unterlegen, während FTX der Ausfall der Forderungen drohte und dies zu einem Liquiditätsengpass der FTX führen könnte - und geführt hat, somit Kund:innen um ihre Gelder fürchteten. Diese Befürchtung wiederum entwickelte sich zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung, dem sogenannten “Banken-Run” - die älteren unter uns erinnern sich noch an den Banken-Crash der Spar- und Leihkasse Thun. Viele Kund:innen verlangten die Herausgabe ihrer bei FTX deponierten Gelder. Innert kurzer Zeit liess FTX verlauten, dass Auszahlungen nicht mehr möglich seien (und von weiteren Einzahlungen dringend abgeraten würde - die eigentliche Einzahlungssperre erfolgte dann aber erst etwas später).
Zusammenfassung und aktueller Stand der Dinge
Auf dem globalen Kryptobörsen-Schachbrett sind SBF und CZ zentrale Figuren. Ihre jeweiligen Kryptobörsen führen die Ranglisten an: FTX ist Nr. 4 und Binance die Nr. 1. Viele Leute haben nun viel Geld verloren. Das Verhalten der beteiligten Akteure und deren unbedarfte Geschäftsführung wird mit Sicherheit noch viele Prüfgesellschaften, Anwaltskanzleien, Regulatoren, Strafbehörden und Gerichte beschäftigen. Noch sind viele Details offen und wieder einmal stellt sich die Frage: Wie konnte das passieren? Eines steht schon mal fest: Der Krypto-Winter war gestern. Heute befinden wir uns auf der kosmischen Einbahnstrasse eines “stark regulierten schwarzen Loches, welches uns mit potenziell ewiger Dunkelheit und eisigem Frost" unvermeidbar schlucken wird. Die traditionellen und regulierten Finanzdienstleister wird’s freuen. Ausser Blackrock und Softbank vielleicht. Der FTX Kollaps wird als trauriger Meilenstein in die Geschichte eingehen und die Aufsichtsbehörden weltweit aufschrecken. Sofern nicht schon geschehen - die Schweiz und die EU sind hier mit ihren aufsichtsrechtlichen Vorschriften schon weit voraus - werden die regulatorischen Schrauben in vielen Ländern angezogen werden.
As FTX implodes and the crypto sector goes from winter to the potential eternal darkness and icy freeze of a heavily regulated black hole, financial services boomers are feeling some schadenfreude.
Unsere 5 Erkenntnisse
- Weniger Testosteron ist mehr. SBF und CZ haben in ihrem gegenseitigen Wetteifern immensen Schaden angerichtet. Es kommt einem so vor, als ob die beiden das sich zwischen den zwei staatspolitischen Oberhäuptern der USA und China abspielende Kräftemessen auf ihrem Krypto-Weltschachbrett weitergeführt haben. Geht es nur uns so oder riecht es hier nach Männer-Garderobe?
- DeFi ist besser als CeFi (für Begriffserklärung, vgl. Box) Jedenfalls hinsichtlich der Transparenz. Denn auch wenn sich punkto anderer Faktoren die Geister scheiden, so gibt es bei echten DeFi-Diensten absolute Transparenz. Die öffentlich einsehbaren Blockchain-Plattformen ermöglichen es, sowohl den Code, der die Smart Contracts der Lösung unterstützt, als auch die von ihr verarbeiteten Transaktionen zu überprüfen. Das bedeutet, dass es weniger Ungewissheit darüber gibt, was hinter den Kulissen vor sich geht.
- Regulierte CeFi ist besser als nicht regulierte CeFi. Es gibt einen Grund, warum Banken und andere Finanzinstitute einem strikten Regelwerk unterworfen sind. Es geht unseren Aufsichtsbehörden um den Schutz der Kund:innen und das System als solches. Seit der Finanzkrise 2008/2009 wurden die Finanzmärkte zunehmend strenger reguliert. Auch wenn die eine oder andere Regel übers Ziel hinausgeschossen sein mag, so zeigt der FTX Kollaps deutlich, dass ähnliche Geschäfte mit vergleichbaren Risiken eben auch vergleichbaren Regeln unterworfen sein sollten (same business same risks same rules).
- Trau, Schau, Wem: Das aus dem lateinischen stammende Sprichwort bringt es auf den Punkt. Schenke niemandem leichtfertig dein Vertrauen. Schon gar nicht, wenn dieser jemand auf den Bahamas sitzt und keiner gleichwertigen regulatorischen Aufsicht untersteht wie deine Hausbank um die Ecke. Schau genau hin, informiere dich.
- Diversifiziere dein Portfolio. Schau dir verschiedene Vermögensanlageklassen an. Wenn du schon in Krypto investieren willst, so wähle am besten eine Lösung mit eigenem Wallet ("Not your Keys Not your Coins"). Wenn dir das zu aufwändig und kompliziert ist, so wähle wenigstens eine Kryptobörse, wo du weisst, dass sie einer seriösen Aufsicht untersteht.
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DeFi steht für dezentrales Finanzwesen und bezieht sich auf die dezentralisierten Protokolle, Plattformen und Services, die im Kontrast zu traditionellen Finanzinfrastrukturen wie Banken und andere beaufsichtigten Finanzinstituten stehen. Bei DeFi entfallen die Gebühren, die Banken und andere Finanzinstitute für die Nutzung ihrer Dienste erheben. Nutzer:innen halten ihr Geld in einer sicheren digitalen Brieftasche, können FIAT-Geld in wenigen Minuten überweisen. Alle mit einer Internetverbindung können DeFi nutzen.
CeFi steht für zentralisiertes Finanzwesen und stellt einen Kompromiss dar zwischen DeFi und den traditionellen Finanzinfrastrukturen mittels zentralisierten Plattformen, welche Finanzdienstleistungen erbringen für Nutzer:innen von digitalen Vermögenswerten.