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Finanzblase am Horizont? Ein Blick auf unsere aktuelle Situation

Vielleicht liegts an der Jahreszeit, vielleicht an der Stimmung – aber in letzter Zeit häufen sich bei mir die Gespräche über das De-investieren. Beispielsweise gerade letzten Donnerstag: Ich texte mit einem Bekannten über die Pensionskasse und die Frage, was im Todesfall mit dem Kapital passiert. (Spoiler: Die Abklärungen laufen noch – eine kleine Odyssee.) Dann kommt die Randbemerkung: «Hab mich übrigens diese Woche bei der Säule 3a geexited. Weil alle Märkte mittlerweile in einer Bubble sind.» Ein paar Tage später sprechen wir im Finanzkurs gerade darüber, was alle im letzten Monat gemacht haben. Eine Stimme darunter: «Ich habe alles verkauft. Einen tollen Gewinn mitgenommen. Ich glaube, es kommt eine grosse Korrektur. Jetzt warte ich erst mal ab.» Spannend – vielleicht sollte ich meine US-Tech-Aktien auch mal wieder anschauen. Denn solche Aussagen höre ich gerade immer häufiger. Auch in den Medien mehren sich Berichte über eine mögliche Finanzblase, getrieben von hohen Bewertungen – vor allem bei US-Tech-Aktien, dem steigenden Goldpreis und Krypto-Rally.

Grund genug, mal genauer hinzuschauen, was wirklich hinter der angeblich kommenden Blase steckt – und was du jetzt für dein Geld tun kannst.

Finanzblase einfach definiert

Der Begriff „Blase“ wird viel verwendet. Bei Aktien, bei Immobilien, bei Krypto, oder sogar bei Gold. Aber nicht jede Kurssteigerung ist gleich eine Blase und nicht jede Überbewertung endet in einem Absturz – manche Blasen „entlüften“ langsam oder Teile des Marktes korrigieren selektiv.

Eine Finanz- oder Spekulationsblase ist ein Marktphänomen, bei dem der Preis eines Assets, z.B. Aktien, über längere Zeit weit über seinem fundamentalen Wert liegt — getragen von Optimismus und Erwartung weiterer Preissteigerungen — ohne dass sich diese Übertreibung durch reale Ertrags- oder Nutzungswerte vollständig rechtfertigen lässt. Wenn das Vertrauen kippt, kommt es zu einer Korrektur oder einem Crash. 

Für unsere Situation jetzt am ehesten relevant ist die Dotcom Blase: In der Euphorie des Internets stiegen die Aktien vieler Unternehmen auf das bis zu 100-fache ihres Anfangswerts. Innert 5 Jahren stieg der Nasdaq Composite Index um 570 %, hat sich also fast versiebenfacht. 

Das Problem? Die meisten Unternehmen hatten keinen fundamentalen Wert – also keine Gewinne oder robusten Geschäftsmodelle; die Kursanstiege basierten nur auf zukünftigen Erwartungen. Innert 2 Jahren kam dann die Ernüchterung, die Blase platzte, der Nasdaq Composite Index korrigierte um -75 %. 

Doch aus der Asche entstanden auch heutige Giganten wie Amazon oder Google. Zeigt uns also, dass nicht jede Blase sinnlos ist — aber aber sie trennt Luftschlösser von Substanz.

Dotcom-Situation, aber mit KI?

Wir leben in einer Phase, in der der S&P 500 in den letzten 12 Monaten um ca. 12 % zugelegt hat, Gold mit +51 % im gleichen Zeitraum bei fast 4'000 US-Dollar pro Feinunze Gold (angetrieben von geopolitischer Unsicherheit und sinkenden Zinsen) auf noch nie dagewesenen Allzeithochs steht, der Nasdaq Composite um +21 % gestiegen ist und der Bitcoin von einem Hoch zum nächsten springt.

Was auffällt, ist der gleichzeitige Anstieg der Aktien und des Goldpreises; aus der Vergangenheit würden wir eher das Umgekehrte erwarten — steigen die Aktienkurse, dann fällt der Goldpreis und umgekehrt. Im Moment ist die Party, von gelegentlichen Korrekturen verursacht durch Donald Trumps Zollpolitik eher überall «On».

Konzentration und Kursgewinne

Die Kursgewinne sind enorm – Nvidia ist heute mit 4,45 Billionen US-Dollar Marktkapitalisierung fast doppelt so viel wert als der Gesamtwert aller gehandelten Werte an der Schweizer Börse SIX (Schätzung ca. 2 Billionen US$, Wikipedia, 2024). 

Zugleich sehen wir eine grosse Marktkonzentration: Ein kleiner Kreis an US-Tech-Giganten macht 40 % der Marktkapitalisierung des S&P 500 aus. Und nicht nur das, über die Hälfte der Kursgewinne im S&P 500 hängt an wenigen Titeln — so waren die Kursanstiege von Juni bis jetzt vor allem NVIDIA, Microsoft und Broadcom zu verdanken. 

Auch auf der Investorenseite entsteht Konzentration, vor allem im KI Sektor: OpenAI macht einen Cloud-Deal über 300 Milliarden US-Dollar mit Oracle, eine 10-Milliarden-Partnerschaft mit Broadcom für Spezialchips und strategische Allianzen und der erst kürzlich publizierte Deal mit AMD lässt die AMD-Aktie um über 20 % in die Höhe schnellen. Ein «Perpetuum Mobile» der Finanzen?  

Laut Analyse der UBS muss man man die Risiken solcher Mega-Deals im Auge behalten (sowohl für einzelne Unternehmen als auch für den Gesamtmarkt), jedoch sehe sie keine Wiederholung früherer Tech-Blasen. Die Bewertungen seien heute deutlich vernünftiger, die Gewinnqualität höher. Zur Dotcom-Zeit wurden Internetpioniere mit einem KGV von rund 60 gehandelt – die heutigen KI-Giganten liegen bei etwa 35, mit stärkeren Bilanzen und stabileren Erträgen.

Was heute den Unterschied macht

Dotcom-Blase (2000):

  • Hunderte Internetfirmen, kaum Gewinne
  • Hohe Bewertungen von KGV von rund 60+
  • Hohes Leverage, kaum Regulierung

KI-/Tech-Rally (2025):

  • wenige Mega-Fimen dominieren
  • realistischere Bewertungen
  • solidere Bilanzen, weniger Fremdkapital

Der grösste Unterschied liegt in den Fundamentaldaten:
Solange die Gewinne mitwachsen und die Bewertungen diese Entwicklung widerspiegeln, ist eine Blase weniger wahrscheinlich. Kritisch wird es erst, wenn die Erwartungen an künftige Gewinne enttäuscht werden – oder externe, oft unerwartete Schocks wie geopolitische Konflikte, neue Zölle oder höhere Zinsen die Aussichten eintrüben.

Ruhe bewahren

Wirklich neu ist die Diskussion um die Bubble nicht. Fast alle grossen Investmenthäuser sehen schon seit einiger Zeit gewisse Überhitzungssymptome. Aber bis jetzt setzen die meisten eher auf Vorsicht als Panik:

  • Goldman Sachs nennt ihren Speculative Trading Indicator auf „kritisch hohem Niveau“, spricht aber nicht von einer Blase
  • UBS spricht in ihrem CIO Update von „volatilen, aber fundamental soliden Märkten“.
  • IMF (International Monetary Fund) und BIS (Bank of International Settlements) sehen „gestiegene Verwundbarkeiten“, aber keinen „unmittelbaren Crash“.

Jens Korte, Ökonome und USA-Korrespondent, meint dazu: „Was ist denn die Alternative? Wenn man in bestimmte Themen investieren will, dann führt an den USA schwierig ein Weg vorbei. Dass es nicht in alle Ewigkeit nach oben geht und mal krachen kann, das kann schon passieren.“ (Hör dir das ganze Interview mit Jens Korte im neuen Money Talks Podcast an - jetzt hier abonnieren!)

  1. Portfolio-Check

Wie hoch ist dein Anteil an KI-/US-Tech-Titeln – auch über ETFs und Welt ETFs?
Liegt er über 50 %, erwäge eine Reduktion und breitere Streuung, z. B. mit Schweizer Blue Chips oder globalen Value-ETFs (z.B. iShares MSCI World Value Factor ETF (IWVL)).

   2. Qualität vor Hype

Bevorzuge Firmen mit nachhaltigen Cashflows und echten Gewinnen — Ein hoher Kurs ist kein Investmentgrund. Einzelaktien mit soliden Fundamentaldaten und guten Wachstumschancen können z.B. dein ETF-Portfolio ergänzen oder direkt als Anlage dienen, die du selbst im Griff hast.  

   3.Fundamentaldaten verfolgen

Die Spreu wird sich langfristig vom Weizen trennen – und zwar über Zahlen: Gewinne, Margen, Kurs-Gewinn-Verhältnisse. Bleib informiert, was die grossen Tech-Giganten vorhaben und berichten.

    4. Teilgewinne realisieren und Absicherungsinstrumente nutzen

Scheue dich nicht, Gewinne mitzunehmen. Es gilt: Mehr geht immer – aber es kann auch weniger werden. Teilverkäufe schaffen so Liquidität und Raum für Neues. Optionen, Stop-Loss-Orders oder Hedging via Absicherungs-ETFs wie z.B. iShares MSCI World Minimum Volatility UCITS ETF (MVOL / IWVL) können dir zudem helfen, Verluste zu begrenzen. Für Mutigere gibt es auch ETFs, die auf Volatilität oder fallende Kurse setzen wie z.B. der WisdomTree VIX Short-Term Futures ETF (VIXY) — diese sind aber nichts für eine Buy-and-Hold Strategie. 

    5.Gestaffelt investieren

Wenn du neue Positionen aufbauen willst, tue es in Tranchen – z. B. auf drei bis vier Zeitpunkte verteilt. So reduzierst du das Risiko, „am Hoch“ zu kaufen. Oder investiere regelmässig, z.B. monatlich.

Persönlich denke ich: Wahrscheinlicher als ein schneller Crash (geopolitische Schocks mal ausgeschlossen) ist eine Phase der selektiven Korrektur.
Für unsere Portfolios heisst das: Positionen prüfen, selektiver investieren, in Value Stocks diversifizieren, womöglich absichern, Cash-Reserven halten – und bei Rücksetzern gezielt Chancen nutzen.

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